Die Digitalisierung beeinflusst das Reisen. In den letzten Jahren hat sich unser Verhalten bei der Suche nach einer Urlaubsunterkunft sehr verändert. Wir selbst sind immer reiseerfahrener geworden und wissen immer besser, was genau wir in unserem Urlaub wollen und damit werden unsere Ansprüche immer individueller.
Inspirieren, recherchieren, Urlaubsstimmung schnuppern
Daher informieren wir uns auch individueller: Wir folgen den Empfehlungen unserer Facebook-Freunde, nutzen das Wissen der entsprechenden Facebook-Gruppen, die sich aus Mitgliedern mit gleichen Interessen zusammensetzen, nutzen Blogs um uns zu inspirieren zu lassen, lesen die Bewertungen auf Holiday-Check vor der Buchung und informieren uns über das Hotel auf der Website des Hauses. Flugpreise können wir auf den entsprechenden Buchungsmaschinen vergleichen und (fast) jeder Reiseveranstalter hat mittlerweile ein ansprechendes Online-Angebot und ergänzt dieses durch die sozialen Medien. Auch dort holen wir uns unsere Inspiration neben Facebook auf Instagram oder Youtube und haben so schon viele Bilder im Kopf von Land, Region oder Hotel, bevor es in den Urlaub geht.
Praktische Helfer für unterwegs
Und auf der Reise selbst? Bereiten wir uns nur anders vor oder erleben wir die Reise an sich auch anders als noch vor ein paar Jahren? Angefangen von der Streckenplanung – wer benutzt noch eine Landkarte? – mit Navi oder Routenplaner-App über die Übersetzungs-App, die beim Einkaufen im fremden Land zum Einsatz kommt bis zur ständigen Verbindung mit „Daheim“ über Telefon, Skype oder WhatsApp – auch hier macht sich der Einfluss der digitalen Medien bemerkbar.
Mehr Komfort, weniger Individualität
Ich möchte auf diese praktischen Helfer nicht mehr verzichten. Dank diverser Apps finde ich mich schneller in fremden Städten zurecht und fühle mich damit sicherer und gut gerüstet für die Stadterkundung. Genau wie gedruckte Reiseführer führen Stadtführer-Apps jedoch dazu, dass alle Nutzer auf den gleichen Spuren reisen, das persönliche Entdecken nimmt ab und die Eindrücke der Nutzer werden austauschbarer. Dabei sind wir doch alle auf der Suche nach individuellen Eindrücken und Erlebnissen. Erinnern Sie sich? Der Trip in die Stadt, in der Sie weder die Sprache noch den Weg kannten und Ihnen die alte Frau mit Händen und Füßen den Weg erklärt hat?
Ich denke immer noch mit Begeisterung an einen Ausflug nach Herkulaneum bei Neapel, einer Ausgrabungsstätte, zurück. Auf Nachfrage nach einem deutschen Führer machte der betagte Ausgrabungswächter einen ganz privaten Rundgang mit ausführlichen (italienischen…) Erklärungen mit mir. Und auch wenn ich nicht alles verstanden habe, ist mir der beeindruckende Rundgang noch immer in Erinnerung – mehr als jede ausführliche App oder jeder gut beschriebene Führer es gekonnt hätte, habe ich dabei über die Kultur und das Land gelernt.
Pannen mit Potenzial
Daher verzichte ich bei manchen Reisen oder Stadtausflügen bewusst auf Apps und andere Hilfsmittel und lasse mich einfach mal treiben und verirre michbewusst im Gassengewirr. Denn nach Jahren erinnere ich mich vor allem an die Dinge auf meinen Reisen, die anders gelaufen sind, an positive oder auch nicht so positive Überraschungen, an außergewöhnliche Erlebnisse und an die Menschen – oft sind es gerade die „Pannen“, die im Nachhinein viel Potenzial für Heldengeschichten bilden. Und wer erinnert sich schon an erfolgreiche Navi-Berechnungen? 😉
Virtual Reality statt realer Reisen?
Eine weitere Entwicklung, die im Tourismus momentan viel diskutiert wird ist Virtual Reality. Wird sie wirklich eines Tages unsere Reisen ersetzen?
Im Moment wird Virtual Reality genutzt, um schon vor der Reise ein Hotel kennenzulernen oder auch sich auf die erste Kreuzfahrt vorzubereiten. Doch schon heute handeln Experten sie auch als Ersatz für das reale Reisen. In dem Fall kann sie eine tolle Möglichkeit für alle sein, die sich aus gesundheitlichen oder finanziellen Gründen nicht (mehr) selbst auf die Reise begeben und die so andere Städte erleben können. Hier gibt es sicherlich einen Bedarf, wie auch das Beispiel von Jacqui Kenny zeigt, die auf ihrem Instagram Account Fotos ihrer virtuellen Reise durch Google Maps veröffentlicht. Auch touristisch überlaufene Städte wie Venedig träumen von solchen Lösungen, die dafür sorgen könnten, dass die Besucherzahlen zurückgehen.
Aber: So gut wie diese Reise konzipiert und umgesetzt sein mag, kann die virtuelle Reise zwar für erste Eindrücke sorgen und vielleicht kann man in Zukunft auch die Stadt riechen, in der man sich virtuell bewegt – was fehlt, sind die individuellen Begegnungen, der Austausch mit den echten Menschen, die Zufälle, die die Eroberung einer Stadt ausmachen.
Fazit: Auch mal das Steuer loslassen!
Für mich gilt: Apps und Technik sind oft hilfreich und ansonsten folge ich immer wieder gerne Tucholsky: „Entspanne dich. Laß das Steuer los. Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich ihr hin, und sie wird sich dir geben.“
Kirsten Harms …
… gründete 2012 – zusammen mit Britta Krämer – die Agentur „tri!impuls tourismuskonzepte & kommunikation GbR“ nachdem sie lange Jahre als Tourismus-Beraterin und von 2005 bis 2011 als stellvertretende Geschäftsführerin bei vamos Eltern-Kind-Reisen tätig war. Ihre Leidenschaft gilt dem individuellen Tourismus und den Entwicklungen und Trends der Tourismus-Branche.
Zu tri!impuls