Gelandet, benvinguts. „Papa, wo sind wir?“ Wenn wir das gerade wüssten. Schon am Ausgang der Kofferhalle wird uns klar: Der Flughafen in Barcelona, El Prat, ist eine Nummer größer als der in Hannover. Oder zwei bis drei. Also ziehen wir leicht überfordert los: drei Koffer, zwei Taschen, Mutti, Vati, Sohnemännchen (4) und Töchterchen (0,8) im Kinderwagen. Sohn, nennen wir ihn Emile, konfus ob der Größe und der Menschenmassen, der Hektik und des Lärmpegels, schaut sich um, guckt nach hinten, nach oben, in alle Himmelsrichtungen – nur nicht nach vorne. Bong. Hallöchen Sitzbank, als Willkommensgruß holt sich der Nachwuchs erst einmal ein katalanisches Hörnchen: „Barzaalona ist doof.“ Tochter, nennen wir sie Ella, bekämpft die Reizüberflutung und den Schlafmangel mit ihrer Lieblingsbeschäftigung: essen – auf dem Speiseplan steht gerade eine herzhafte Reiswaffel.
Nach gefühlten sechs Kilometern und 15 x „Papa, ich kann nicht mehr, wann sind wir da?“, 9 x „Ich muss Pipi“ und 5 x „Auhaaa, mein Kopf braucht ein Kühlkissen“ erreichen wir den Ausgang. Draußen angekommen, werden die Gesichtszüge bei Emile freundlicher: „Guck mal, der blaue Buus!“ Da geht es jetzt rein – der Aerobus, der das Straßenbild Barcelonas mitprägt, bringt uns direkt in die Innenstadt. Das Ziel: familienfreundliche Appartements im Stadtteil Eixample. Knapp 20 Minuten später und nur wenige Gehminuten von der Bushaltestelle entfernt sind wir in unserer Wohnung. Schick, alles da, was wir als Familie brauchen. Findet auch Emile: „Barzalona ist cool.“
Die Tage danach sind voll. Voll von Eindrücken. Reizen. Neuem und Ungewöhnlichem. Ein kleiner Auszug – aus den Augen von Kindern.
Unser Ausflug über die Ramblas bis zum Stadtstrand
Die Rambla, kostet nichts, ist aber auf mehr als einem Kilometer Unterhaltung pur. Emile findet es spannend und vergisst dabei sogar, dass er zu Fuß unterwegs ist. Ausgangspunkt der Rambla ist die Plaça Catalunya – ein riesiger Platz umgeben von Trubel und Verkehr. „Da ein Buus… und noch einer, und unser blauer Flughafenbuus!“ gefolgt von „Mama, guck mal, hier sind Taxis gelb!“ Ein Krankenwagen brettert an uns vorbei, Blaulicht, Sirene. „Was macht der denn für ein komisches Tatütata!?“ Der Kleine erkennt: Alles anders hier als zu Hause, aufgeregt ist er. Ella sitzt im Kinderwagen, wundert sich, ihre Kulleraugen weit aufgerissen – und isst: spanischen Butterkeks.
Unterwegs entdeckt Emile einen Portraitmaler. „Warum malt der den?“ – „Weil der Mann gerne ein Bild von sich haben will.“ – „Dann nehmt er besser ein Handy!“, und zieht die Schultern neunmalklug hoch. Um sich gleich aufs nächste Ziel zu stürzen: Eiswagen, alle paar Meter, es gibt kein Vorbeikommen. „Wie groß sind diese Eiskugeln denn, bitte?“, kriegt sich Emile kaum noch ein vor Freude. Ella sitzt derweil auf dem Arm und steckt ihre Nase in eine tennisballgroße Erdbeerkugel. Wenn die wüsste, dass wir gerade am Mercat de la Boqueria vorbeischlendern, der berühmtesten Markthalle der Stadt, in der sich Leckerbissen aller Art ständeweise aneinanderreihen.
Statuen, die sich bewegen
So am Schlecken, vorbei an Tänzern und Straßenmusikern, stockt Emile plötzlich – sein Blick ist eine Mischung aus Verwunderung, Zögern und leichter Angst: Eine in Gold getauchte Renaissance-Figur steht auf einer Empore, direkt daneben ein, ja, ein was? Ein unbekanntes, vierarmiges grünes Wesen mit riesigen Flügeln aus einer anderen Welt? „Papa, lass uns schnell weiter gehen“, macht Sohn unmissverständlich klar, dass ihm die berühmten lebenden Statuen, die auf der Rambla jeden Tag ihren Steh- oder Sitzplatz aufschlagen, nicht ganz geheuer sind. „Der hat sich bewegt“, schluckt er, während das Ding aus dem All geheimnisvoll winkt. Ok. Es soll Kinder geben, die an dieser Stelle lange stehen bleiben und staunen. Emile macht an den folgenden Tagen jedes Mal, wenn wir an den Figuren vorbeizugehen drohen, einen großen Bogen um die Standkünstler. Ella sitzt im Kinderwagen und hat ganz andere Probleme: Das Eis ist alle.
Eine Klappbrücke, die nicht klappert
Noch die gruseligen Figuren im Kopf, erkennt Emile am Ende der Rambla eine andere Statue – diesmal eine echte, aus Bronze, 60 Meter hoch steht sie da und zeigt in eine Himmelsrichtung. „Der ist voll weit oben!“ Und: „Der zeigt mit dem Finger, darf er das?“ Er darf: Der Mirador de Colom, wie das Gesamtwerk heißt, befindet sich auf dem Plaça del Portal de la Pau am südlichen Ende der Rambla. Hoch oben auf der Säule steht ein berühmtes Denkmal Barcelonas: Christoph Kolumbus, der in eine Richtung zeigt. Wohin eigentlich? Da scheiden sich die Geister, einfach aufs Meer hinaus? Amerika kann er damit allerdings nicht gemeint haben, das liegt nämlich auf der anderen Seite. Oder in Richtung Genua oder Mallorca, zwei vermeintliche Geburtsstätten des großen Entdeckers? Weiß keiner mehr so genau – das Denkmal ist bereits zur Weltausstellung von 1888 erbaut worden.
Was man weiß: In der linken Hand hält er eine Seekarte seiner Route. Unsere Route führt uns weiter über den riesigen Kreisel zum Hafen. Hier wartet auf uns ein (auch architektonisches) Spektakel, besonders für die Kinder: die Porta d´Europa, eine imposante Klappbrücke, auf der Passanten zum Hafen und dem Stadtstrand gelangen. „Was ist eine Klappbrücke. Klappert die, oder was?“, fragt der Neunmalkluge nun unwissend. Eine weitere Erklärung erübrigt sich, als ein lautes Tröten ankündigt, dass in wenigen Minuten eine Privatyacht hinaus aufs offene Meer fahren möchte. Wir warten gespannt, als die Brücke aufklappt und Emile vor Begeisterung den Mund nicht mehr zu bekommt: „Boah!“ Ein Ausstoß von unbändiger Euphorie. Ella neigt ihren Kopf, scheint sich zu denken: „Was interessiert mich diese blöde Klappbrücke?“ und gibt etwas von ihrem Wortschatz preis: „Mnammnam.“ Das Eis hat sie durstig gemacht.
Ein Stadtstrand, der jedem schmeckt
Nachdem wir Emile versprechen mussten, dass die Klappbrücke auch wirklich nur dann aufklappt, wenn keine Menschen draufgehen, erreichen wir die Promenade. Als erstes fallen Emile hier die Golondrinas am Port Vell auf, mit denen Besucher (also Touristen) eine anderthalbstündige Rundfahrt entlang der Küste Barcelonas machen können. „Boot fahr´n, Boot fahr´n!“, springt Emile auf und ab. Machen wir auch – die Skyline Barcelonas vom Wasser aus besichtigen verschieben wir aber auf einen anderen Tag. Jetzt ist erst einmal die kleine Ella dran, die während unseres Städteurlaubes ehrlicherweise etwas wenig Bewegungsspielraum bekommt.
Auf uns wartet der – künstlich angelegte – Sandstrand von Barcelona. Dieser beginnt am Stadtteil Barceloneta und ist vier Kilometer lang. Die mit Palmen gesäumte Strandpromenade gibt uns ein zusätzliches Urlaubsgefühl von Sommer-Sonne-Meer. Als Emile den Strand entdeckt, verabschiedet sich sein „Ich-bin-jetzt-aber-voll-traurig-und-Papa-und Mama-sind-echt-doof-Gesicht“ (weil die Golondrinas ja heute ohne ihn abfahren mussten). Stattdessen setzt ein breites Grinsen ein: „Wollen wir im Strand Fußball spielen?“ Wollen wir, der kleine Ball ist natürlich mit im Gepäck. Ella macht sich schon einmal krabbelnd auf den Weg – sie genießt die Weite, die der Strand ihr bietet. Der Sand schmeckt offensichtlich und knirscht so schön zwischen den Zähnen. Jetzt hat also auch sie ihr Stück Barcelona genossen– was für ein Tag.
Aufmacherbild: Der Stadtstrand von Barcelona © Philipus / fotolia.com