Ins Bio-Hotel Kenners LandLust im Wendland kommen Familien nicht nur, um eine wunderschöne Auszeit vom Alltagstrubel zu erleben. Immer mehr Gäste kommen auch, um unseren neuen Mitbewohner in Deutschland kennenzulernen: den Wolf. Gastgeber Kenny Kenner ist seit 2003 Wolfsberater. Das heißt, er ist den Wölfen auf der Spur und dokumentiert deren Vorkommen, er informiert Landwirte über die Wölfe und deren typisches Verhalten und nicht zuletzt nimmt er die Hotelgäste und viele andere Interessierte mit auf seine Wolfswanderungen. Seine Botschaft ist klar: „Die Menschen haben nur verlernt mit dem Wolf zu leben und müssen es nun neu lernen.“
Kenny, können eure Gäste tatsächlich manchmal Wölfe sehen?

Ja, aber sie müssen schon Glück haben. Ich schätze, wir hatten ungefähr zehn Mal pro Jahr Sichtkontakt mit einem der Tiere – aber nur in der Ferne. Ein Wolfsrudel lebt auf 200 bis 300 km², da ist es richtig schwierig, die Tiere zu finden. Ich weiß nicht einmal genau, wo sie in diesem Jahr ihre Welpen großziehen.
Dann die für viele wichtigste Frage: Muss man Angst haben vor dem Wolf?
Nein, generell nicht. Der einzige Feind, den der Wolf hier bei uns hat, ist der Mensch. Deshalb nähert er sich uns nie. Er kann uns riechen und schleicht in einem sehr weiten Bogen um uns herum, weil er Angst vor uns hat. Ich bin jeden Tag im Wald unterwegs und mir ist noch nie ein Tier nahe gekommen. Im Wald ist es viel wahrscheinlicher von einem Ast erschlagen zu werden als von einem Wolf oder Keiler angegriffen zu werden. Und insgesamt ist es ohnehin am wahrscheinlichsten einen Autounfall zu haben. Beim Thema Wolf sind nur viele Menschen besorgt, weil inzwischen mehrere Generationen in Deutschland nicht mehr zusammen mit Wölfen gelebt haben. Das müssen wir wieder neu lernen. In vielen osteuropäischen Ländern war der Wolf nie weg und die Menschen leben sehr gut und sehr gelassen mit ihm. Da sind die Tiere keine Zeitungsschlagzeile wert, hier bei uns machen Politiker mit dem Thema Wahlkampf.

Seit wann gibt es in eurer Region wieder Wölfe?
Seit 2016 lebt in der Göhrde ein Rudel dauerhaft, 164 Jahre nachdem hier der letzte Wolf geschossen wurde. Die Jungtiere wandern weiter und suchen sich neue Lebensräume, wobei die meisten von Autos überfahren werden. In Deutschland gibt es inzwischen rund 100 Rudel, in Niedersachsen 22. Und das ist gut so!
Warum sollten wir den Wolf nicht erneut vertreiben?
Wölfe haben als Beutegreifer eine wichtige Funktion im Ökosystem: Beute und Beutegreifer haben sich abhängig voneinander in der Evolution entwickelt. Als der Wolf hier ausgerottet war, entstand eine Lücke. Aber er ist eine Art „Gesundheitspolizei“ im Wald, da er häufig kranke und schwache Tiere frisst und somit die Population der Beutetiere und den Wald gesund hält. Wir brauchen ihn und können auch gut mit ihm leben. Das haben ja viele Generationen vor uns auch gemacht.
Gibt es denn genug für den Wolf zu fressen?
Ja. Deutschland hat einen sehr hohen Bestand an Rehen, Rothirschen und Wildschweinen. Auch Waschbären frisst der Wolf. Die Jäger hatten ohne die Hilfe des Wolfs immer sehr viel zu tun! Zum Glück sehen viele Jäger ihn auch als Partner in ihrer Arbeit und nicht als Konkurrent. Und übrigens, wenn der Wolf ein Tier tötet, fressen danach 40 bis 50 weitere Tierarten am Aas mit.

Was erleben eure Gäste in der „Wolfswoche“ im Hotel?
Die Kinder lernen spielerisch alles Mögliche über die Wölfe: Wie leben Wölfe? Wer spielt welche Rolle in einem Rudel? Was fressen kleine und große Wölfe? Warum verlassen die Kleinen ihre Eltern? Die Kinder lernen, Wolfsspuren zu lesen und spielen Theaterstücke zum Thema Wolf, aber ganz ohne Rotkäppchen! Am Ende werden sie als kleine Wolfsbotschafter ausgezeichnet und können ihr Wissen weitergeben.
Mit den Erwachsenen mache ich eine große Wanderung durch den Wald und suche mit ihnen nach Spuren und erkläre ihnen dabei viel Unbekanntes über die Tiere. Außerdem gibt es einen Infoabend zum Thema, sodass auch die Eltern am Ende mindestens so viel über den Wolf wissen wie ihre Kinder.
Und welche Rückmeldung geben euch eure Gäste?
Sie sind sehr interessiert und beeindruckt. Die beste Rückmeldung, die ich inzwischen regelmäßig bekomme, sind Fotos mit Wolfskot aus ganz Deutschland. Ich denke, das ist ein sehr positives Feedback …
Unser Gastgeber Kenny Kenner:
Kenny Kenner stammt aus dem Wendland, ging nach der Schule zum Studium nach Berlin und arbeitete dort als Dokumentarfilmer. Bei einem Dreh in Berlin setzte er sich schon früh mit der Umweltschutzbewegung auseinander und engagiert sich seither für Nachhaltigkeit. Zusammen mit seiner Frau Barbara zog es ihn später zurück ins Wendland. 1999 kauften die beiden ein Haus, renovierten es nach baubiologischen Gesichtspunkten und eröffneten das Bio-Hotel Kenners LandLust. Im Rahmen des Wolfskonzepts für Niedersachsen wurden 2009 vom Umweltministerium 40 Wolfsberater benannt, einer davon ist Kenny Kenner.