Clara Heinkele kam vor über zehn Jahren als vamos Kinderbetreuerin in die toskanische Fattoria Pieve a Salti. Und blieb. Denn verliebt hat sie sich damals gleich zweifach: in die sanfte Hügellandschaft und in den ehemaligen Jockey Marco Dionisi. Mit ihm gemeinsam baute Clara den Reitstall auf, der schon viele Jahre zur Fattoria gehört. Etwa 35 Reitpferde gehen mit den Gästen auf geführte Ausritte in die traumhafte Umgebung. Das Besondere: Schon kleine Kinder ab 3 Jahren sitzen im Sattel großer Pferde. Über das Leben mit den Pferden und ihre Arbeit hat Beate Dalkowski mit Clara gesprochen.
In Teil 1 des Interviews ging es um das Reitangebot der Fattoria Pieve a Salti, insbesondere für Kinder.
Teil 2: Mit Liebe zu Mensch und Tier
Liebe Clara, wie lange lebst du jetzt schon als Reitführerin in der Toskana?
Seit 2004. In diesem Jahr hatte Marco den Reitstall übernommen und ich kam als vamos Kinderbetreuerin in die Fattoria Pieve a Salti. Eigentlich wollte ich nur sechs Monate bleiben. Marco habe ich kennengelernt, weil ich zum Spaß in meiner Freizeit geritten bin. Ich habe dann noch zwei weitere Jahre als Kinderbetreuerin in der Fattoria gearbeitet und nebenher mit Marco den Reitbetrieb aufgebaut. Der war anfangs noch ganz klein und ich hatte in Deutschland gerade mein Studium zur Kunsttherapeutin abgeschlossen.
Das alles hinzuwerfen und mich zu entschließen, in einem anderen Land, mit einer neuen Liebe, einen Reitstall zu führen: Das war natürlich eine weit reichende Entscheidung. Ich hatte schon etwas Angst, einer Italo-Romanze zu erliegen, nicht nur privat, sondern auch beruflich. Aber ich habe meine Entscheidung nie bereut, keinen einzigen Moment, auch in schwierigen Zeiten nicht.
Ihr habt etwa 35 Reitpferde für die Gäste. Ich sehe eigentlich nur Großpferde und viele Vollblüter, aber keine Ponys. Wieso habt ihr keine kleinen Pferde, obwohl bei euch viele kleine Kinder reiten?
Tatsächlich sind ungefähr die Hälfte unserer Pferde englische Vollblüter und Halbblüter, eine eigene Rasse, die aus der Verbindung von Englischem und Arabischem Vollblut entspringt. Dazu kommen ein Tinker, Araber und eine Handvoll anderer Rassen. Die Vorurteile, die auf Englischen Vollblütern lasten, wie Unberechenbarkeit, Furchtsamkeit, oder „zu viel Temperament“, haben nichts mit der Rasse zu tun. Die entstehen beispielsweise dort, wo aussortierte Vollblüter im Hunderterpack aus der Rennindustrie aufgekauft und dann weiterverscherbelt werden. Das sind häufig traumatisierte oder körperlich kaputte, außerdem nicht richtig ausgebildete Pferde. Solche Pferde wären tatsächlich lebensgefährlich im Reitbetrieb.
Aber Hannoveraner oder Haflinger, die aus solchen Bedingungen kommen, wären genauso gefährlich. Wenn nicht noch gefährlicher, denn Vollblüter haben meiner Meinung nach ein grundsätzlich sanftes und sensibles Wesen und sind dadurch sehr umgänglich. Was viele nicht wissen: Bei richtiger, guter Haltung sind sie keineswegs nervös, sondern gelehrige, menschenbezogene Partner, die gerne tun, was der Mensch von ihnen möchte. Das liegt auch daran, dass die Rasse seit Jahrhunderten domestiziert ist, also an den Umgang mit dem Menschen von den Zuchtanlagen her gewöhnt.
Das Gegenbeispiel sind die häufig unterschätzten Ponys: Die sind zwar klein, haben aber noch sehr viele Wildpferdeinflüsse. Dadurch sind sie vom Charakter her meistens eigenwilliger und übernehmen bei Gelegenheit auch gerne die Kontrolle. Da lernen die Kinder häufig nur, zu viel und zu stark einzuwirken, also heftig an den Zügeln zu ziehen usw.




Das hört sich überzeugend an. Aber neben der Veranlagung sind bei Pferden ja auch die Haltung und die Erziehung wichtig. Nicht nur für das Wohlbefinden der Pferde, sondern auch für die Zuverlässigkeit. Worauf legt ihr besonderen Wert?
Wir haben keine schwer traumatisierten, „geretteten“ Pferde. Für Gästepferde musst du immer Pferde auswählen, die charakterlich absolut stabil sind. Die können natürlich trotzdem unterschiedlich sein: lauffreudig, fleißig oder faul, immer aber hundertprozentig klar im Kopf. Das sind unsere Pferde alle. Sie kommen überwiegend aus kleinen Zuchten und Rennställen. Sie sind auf der grünen Wiese geboren und haben ihr ganzes Leben draußen verbracht. Das Geheimnis eines Pferdes ist die gute Kinderstube. Wenn da etwas schief gelaufen ist, kriegt man das nie ganz wieder hin.
Unsere Reitpferde sind außerdem mit gewaltfreiem Pferdetraining in Ruhe und stufenweise ausgebildet. Und was die Haltung angeht: Unsere Pferde leben draußen, auf der Wiese. Sie haben keinen aufgestauten Bewegungsdrang und ein erfülltes Sozialleben. Sie sind ausgeglichen, kennen alle Eindrücke, die im Freien auftreten, und sind daher geländesicher. Sich austoben macht ja sowieso mehr Spaß ohne Reiter, darum machen sie das mit ihren Kollegen in der Herde, aber nicht unterm Sattel.
Deine Arbeit macht dir Spaß, das merkt man. Was sind dabei die schönsten Momente, worüber freust du dich besonders?
Mir macht es besonderen Spaß, die Pferde morgens von der Wiese zu holen und abends wieder in die wohlverdiente Freiheit zu entlassen. Wir lassen die Pferde wann immer möglich abends ins Tal, also aus der ohnehin schon großen Tages-Koppel heraus in das weite Land, das zur Fattoria Pieve a Salti gehört. Morgens stehen wir dann wieder am Zaun und rufen die Pferde zu uns. Wenn sie dann gemeinsam angaloppiert kommen, zum Teil aus zwei oder drei Kilometern Entfernung, ist das ein tolles Bild, immer wieder!
Mehr Informationen zur Fattoria Pieve a Salti finden Sie hier.