Über Berg und Tal: Willi Rainer erinnert sich an seinen Schulweg

vamos Gastgeber Willi Rainer vom Family Resort Rainer als Kind

Schulbus oder Elterntaxi? Fehlanzeige! Zur Schule gehen hieß in den Alpen lange Zeit: zu Fuß gehen. Willi Rainer, Gastgeber im Family Resort Rainer in Sexten, erinnert sich an Angel-Abenteuer auf dem Schulweg, Lausbubenstreiche und strenge Lehrer.

Der Schulweg von unserem Bauernhof „Erter“ in Moos bis zur Volksschule Sexten betrug zwei Kilometer hin und zwei zurück. Wir mussten ihn viermal am Tag zurücklegen. In den Jahren zwischen 1946 und 1950, ich war gerade mal sechs, sieben Jahre alt, fuhr natürlich kein Schulbus. Also musste man zu Fuß gehen. Und das war das Beste am ganzen Schultag!

Wir waren immer circa acht bis zehn Jungs, die gemeinsam von Moos nach Sexten gingen. Der Schulweg dauerte zwischen 45 Minuten und 15 Minuten, je nach Abenteuer, das man erlebte und je nach Geschwindigkeit, die man einlegen musste, wenn man bei der Früharbeit im Stall wieder mal getrödelt hatte. Schließlich fing der Tag lange vor Schulbeginn an und die Frühmesse um sieben Uhr durfte man auch auf keinen Fall verpassen.

Forelle in der Hosentasche

Entlang des Schulweges führte der Sextner Bach, ein herrliches Berggewässer voll von glänzenden Bachforellen. Selbstverständlich gab es Tage, an denen man einfach nicht daran vorbeikam, und man musste sein Petri Heil versuchen. Ausgerüstet mit einem krummen Nagel, Mut zum Spagat und etlichen Würmern, gelang einem ab und zu das Meisterstück, eine Forelle zu fischen. Die Freudentänze der anderen Jungs kann man sich hier lebhaft ausmalen. Der Fisch kam dann – zack – in die Hosentasche und mit in die Schule. Wenn er einem rausfiel, was schon vorkommen konnte, oder wenn der Lehrer den „Fischduft“ in die Nase bekam, gab es natürlich ein Zeter und Mordio. Die Mutter daheim aber, die hat sich immer gefreut, wenn der Bub das Mittag gleich mitbrachte …

Auch war der Schulweg gleichzeitig Kampfarena und Schauplatz „großer Heldentaten.“ Man muss hier erwähnen, dass so ein Bauernort gar kein so friedvolles, beschauliches Plätzchen war, wie man etwa vermuten möchte. Ähnlich wie in den großen Kapitalen der Welt gab es auch bei uns – so würde man es heute sagen – verschiedene Gangs: die Mooser, die Sextner, die Außerdörfler und die Berger – und das bei nur ein paar hundert Einwohnern! Ein falsches Wort genügte und schon flogen die Fäuste. Man „kämpfte“ mit Zapfenschleudern, Schlammknödeln und anderen heimtückischen Tricks. Warum, wusste man selber nicht. Es war halt so – und hat riesig Spaß gemacht.

Hosen, Hemd und Lodenjanker

Gegen das Winterwetter gab es nur Wollsachen: Willi Rainer als Kind

Als Bub besaß man je zwei lodene Hosen, eine für sonntags und eine für werktags. Der Loden damals war ein starrer, kratziger Tiroler Wollstoff, alles andere als bequem. Man hatte ein Hemd (die „Pfad“) und einen Lodenjanker. Schuhe besaß man nur ein Paar. Ob Sommer oder Winter, wir hatten immer dieselben Sachen an. War man herausgewachsen, bekam man das Gleiche wieder vom älteren Bruder.

Wichtig war gerade im Winter die Wollmütze, welche die Mutter gestrickt hatte und das einzige Weihnachtsgeschenk war, an das ich mich aus diesen frühen Tagen erinnern mag. In den ungeheizten Schulräumen hat sie einem oft „das Gehirn warm gehalten“, wie der Lehrer zu sagen pflegte. Heute kann man darüber schmunzeln, damals aber waren die spärlich beheizten Schulklassen nicht gerade angenehm.

Am schönsten waren die häufigen Schulausfälle im Winter. Die heftigen, meterhohen Schneefälle haben oft das Dorfleben blockiert. Alle, Groß und Klein, mussten Wege und Straßen freischaufeln, damit die Fuhrwerke durch kamen.

Vom Nachsitzer zum Hotelbesitzer

Heute erfolgreiche Hoteliers: Agnes und Willi Rainer vor dem Family Resort Rainer

Gerne und häufig hat der Lehrer Strafen ausgeteilt, recht oft auch unbegründet, wie wir Kinder fanden. Die schlimmste aller Strafen war das halbstündige Nachsitzen nach Schulende. Denn dann musste man den Schulweg alleine zurücklegen – sehr langweilig und äußerst demütigend, musste man doch das ganze Dorf durchqueren und jeder konnte einen sehen!

Wegen meines Fischvergehens (oben beschrieben) musste ich einmal über die Allerheiligenfeiertage sechs Seiten aus einem winzig klein gedruckten Buch abschreiben. Ich ließ der Schnelligkeit halber einfach etliche Zeilen aus, in der Annahme, der Lehrer würde es schon nicht merken. Das Resultat war ein riesiges Donnerwetter und die Ansage: „Bub, aus dir wird nie nichts.“ Später, als ich selber Lehrer, Hotelbesitzer und Bürgermeister wurde, konnte der Lehrer sich – nicht ohne ein Schmunzeln – noch oft darüber wundern, wie ich das wohl alles zustande gebracht hätte.